Anlässlich des Gedenktages für die Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar ruft die Bundesvereinigung Lebenshilfe ihre Mitglieder und die gesamte Zivilgesellschaft dazu auf, sich entschieden gegen Rechtsextremismus zur Wehr zu setzen und sich an Demonstrationen gegen die AfD zu beteiligen.
Ulla Schmidt, Bundesvorsitzende der Lebenshilfe und frühere Gesundheitsministerin, betont: „Unsere Demokratie ist in großer Gefahr. Spätestens nachdem bekannt wurde, dass sich AfD-Vertreter mit namhaften Rechtsradikalen in Potsdam getroffen haben, um massenhafte Abschiebungen auch deutscher Bürgerinnen und Bürger zu beraten, muss allen klar sein, was die Stunde geschlagen hat. Dieses Treffen weckt Erinnerungen an das dunkelste Kapitel unserer Geschichte, als die Nazis die Macht in unserem Land übernahmen. Wir alle müssen jetzt Flagge zeigen. Ich bin daher sehr froh, dass nun endlich Tausende auf die Straße gehen, um der AfD und anderen rechtsextremen Kräfte die Stirn zu bieten.“
Michael Auen, Vorstand der Lebenshilfe Karlsruhe, Ettlingen und Umgebung ergänzt: „In unserer modernen Gesellschaft sehen wir ähnliche Tendenzen wie diejenigen, die zur Entstehung des Nationalsozialismus geführt haben. Wir sehen Diskriminierung, Hass und Intoleranz gegenüber bestimmten Gruppen von Menschen. Und wir leben noch immer in einer Gesellschaft, die sich oft von den Bedürfnissen derer abwendet, die anders sind als wir selbst.“
Bereits am 21. März 2017 hatten der Bundesvorstand und die Landesvorsitzenden der Lebenshilfe in einem gemeinsamen Beschluss deutlich gemacht, dass Lebenshilfe und AfD unvereinbar sind.: „Mit der Europawahl und den Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen stehen in diesem Jahr wieder wichtige Wahlen an. Sie werden darüber entscheiden, ob unsere Demokratie wehrhaft bleibt oder weiter beschädigt wird. Jetzt ist der Staat aufgerufen, ein Verbot der AfD zu prüfen,“ so Ulla Schmidt.
Hintergrund zum Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar
Von 1939 bis 1945 wurden in ganz Europa rund 300.000 kranke und behinderte Menschen umgebracht. Sie galten als „Ballastexistenzen“, als „Volksschädlinge“, und wurden als „lebensunwert“ aussortiert. Ihre Vernichtung wurde im Rahmen der T4-Aktion, benannt nach der Tötungszentrale in der Berliner Tiergartenstraße 4, systematisch geplant und kaltblütig vollzogen. Davon betroffene Menschen mit körperlicher und geistiger Behinderung wie auch mit psychischen Erkrankungen müssten deshalb ebenso als Verfolgte des Nazi-Regimes anerkannt werden wie andere Opfergruppen auch, so die Lebenshilfe.
Und die NS-Verbrechen wirken bis in die Gegenwart weiter. Ulla Schmidt: „Auch im Deutschland des Jahres 2024 stoßen Menschen mit Behinderung auf Ablehnung und Vorurteile. Angesichts hochentwickelter vorgeburtlicher Untersuchungsmethoden müssen sich Eltern eines behinderten Kindes immer wieder Kommentare wie diesen anhören: Musste das sein, habt ihr das denn nicht gewusst?“ Zumeist führe die vorgeburtliche Diagnose einer Behinderung zur Abtreibung, weil sich die Eltern in einer auf Leistung und Optimierung getrimmten Gesellschaft das Leben mit einem behinderten Kind nicht zutrauten.
Kranzniederlegung
Am 31. Januar 2024 werden um 12.00 Uhr Vertreter*innen der Bundesvereinigung Lebenshilfe und der Lebenshilfe Berlin am Gedenk- und Informationsort für die Opfer der NS-„Euthanasie“-Morde in der Tiergartenstraße 4, 10785 Berlin, einen Kranz niederlegen. Dies findet im Rahmen der Gedenkveranstaltung des Beauftragten der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen, Jürgen Dusel, statt.
Das Karlsruher Ehrenfeld – die Gedenkstätte für die Karlsruher Opfer der T4-Aktion auf dem Karlsruher Hauptfriedhof.
Foto: Sauermost