Die Beauftragten des Bundes und der Länder für die Belange von Menschen mit Behinderungen haben am 12. April die sog. Stuttgarter Erklärung herausgegeben. In dieser beziehen sie sich auf die Staatenprüfung Deutschlands vor dem UN-Fachausschuss und stellen fest, „dass Deutschland 15 Jahre nach Ratifizierung der UN-BRK bei der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen nach wie vor deutlich hinter seinen Zielen und Möglichkeiten bleibt“.
Dabei greifen die Beauftragten in ihrer Erklärung vier Themen der UN-BRK auf, bei denen sie in Übereinstimmung mit dem Fachausschuss dringenden Handlungsbedarf sehen.
Zum Recht auf selbstbestimmte Lebensführung fordern sie, dass alle Menschen, unabhängig von Art und Schwere der Behinderungen, entscheiden können, wie, wo und mit wem sie leben wollen. Voraussetzung sei die Schaffung von bezahlbarem, barrierefreiem Wohnraum ebenso wie die konsequente Ausrichtung auf das Ziel der selbstbestimmten Lebensführung in den Landesrahmenverträgen, in den Gesamt- und Teilhabeplanverfahren sowie in Qualitätskontrollen und Wirkungsprüfungen. Vor dem Hintergrund, dass fast die Hälfte aller Menschen mit Behinderungen die Leistungen zum Wohnen beziehen, in Sondereinrichtungen lebten, fordern sie Länder und Leistungsträger auf, in den Prozess der Deinstitutionalisierung und den Aufbau von individuellen Assistenzleistungen im Sozialraum zu investieren.
„Selbstbestimmung und Teilhabe heißt es im Bundesteilhabegesetz. Fragen wir also die Menschen, um die es geht, wie sie wohnen wollen und welche Unterstützung sie für die individuelle Teilhabe in ihrem Sozialraum benötigen,“ sagt dazu Theodor Sawwidis, Geschäftsführer für den Bereich Wohnen der Hagsfelder Werkstätten und Wohngemeinschaften Karlsruhe.
Des Weiteren fordert die Stuttgarter Erklärung, Lücken im Gewaltschutz für Menschen mit Behinderungen zu schließen und ein Leben frei von Gewalt sicherzustellen. Dies beinhalte auch, das Gewaltschutzgesetz dahingehend zu reformieren, dass es auch Menschen in Einrichtungen der Eingliederungshilfe schützt.
Menschen mit Behinderungen und alle Menschen in psychischen Krisen und Ausnahmezuständen in unserer Gesellschaft sollten außerdem frei von Zwang leben. Dies beinhalte, dass Zwangsmaßnahmen in Psychiatrie, Eingliederungshilfe, Pflege- und Rehaeinrichtungen sowie in der Kinder- und Jugendhilfe verhindert werden müssten.
Und schließlich fordern die Beauftragten, Menschen mit Behinderung an politischen Entscheidungsprozessen verbindlich zu beteiligen. Dies schließe den barrierefreien Zugang zu den dafür notwendigen Informationen mit ein.
„Es ist im Jahr 2024 schlicht weder vorstellbar noch erklärbar, dass Menschen mit Behinderung eingeschränkte Rechte haben, was ihre politische Teilhabe und die Wahrnehmung ihrer Grundrechte betreffen. Höchste Zeit hier für verfassungskonforme Verhältnisse zu sorgen,“ kommentiert Michael Auen, Erster Vorstand der Lebenshilfe Karlsruhe, Ettlingen und Umgebung.
Foto: Lebenshilfe / David Maurer